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Schiaches Paradies: Kaisermühlen im Wandel der Zeit

Obwohl Wien grundsätzlich eine gut aussehende und gleichzeitig extrem lebenswerte Stadt ist, beinhaltet sie zahlreiche ganz schön schiache Flecken. Zwar kann Wien auf dieser Ebene längst nicht mit “echten” Großstädten wie London, Paris oder Rom mithalten, doch auch die österreichische Bundeshauptstadt birgt ein paar scheußlich anmutende Gegenden mit sich. Bezirke wie Favoriten, Simmering oder Floridsdorf bringen es dank ihrer missratenen Vorstadtästhetik sowie einem Meer von lieblos hingekleschten Klotz-Gemeindebauten und Industriearealen zweifellos auf eine stattliche Hässlichkeit. Doch auch in den ansehnlicheren Stadtteilen gibt es einige Grätzeln mit grausigem Ambiente. Dazu zählen etwa das biedere, mit Prostituierten – die allerdings zunehmend von WU-StudentInnen verdrängt werden – überhäufte Stuwerviertel oder der Landstraßer Süden rund um die Schlachthausgasse. Auch das durch zwei Donauarme von der Außenwelt abgegrenzte, seit Jahrzehnten berüchtigte Arbeitergrätzel Kaisermühlen ist ein besonderes Schmankerl auf der Wiener Schiachheitsskala.

Eine bewegte Historie
Der verrufene kleine Stadtteil zwischen Alter und Neuer Donau fand erstmals im 17. Jahrhundert Erwähnung, freilich noch in ländlicher Umgebung und fernab der Wiener Stadtmauern. Kaisermühlen stand zu dieser Zeit für den Bau von Schiffmühlen und die Fischerei, war aufgrund der wassernahen Lage aber oftmals von Hochwasser betroffen. Ab dem Jahr 1850 fiel die Idylle zunehmend der Wiener Stadterweiterung zum Opfer. Der Eingemeindung und Angliederung an den 2. Gemeindebezirk folgte in den 1870er-Jahren die groß angelegte Wiener Donauregulierung. Diese trieb die Schiffsmühlenbesitzer zur Abwanderung und sorgte dafür, dass das beschauliche Kaisermühlen endgültig ins transdanubische Nirvana abgeschoben wurde.

Kaisermühlen vor der Donauregulierung – zwischen Sauhaufen und Militärschwimmschule.

Das am Wasser liegende Gebiet wurde daraufhin stetig besiedelt. Den zunächst aufgestellten, passabel anmutenden Gründerzeithäusern folgten ab der Zwischenkriegszeit riesige, von der SPÖ errichtete Gemeindebauten, um dem immer größer werdenden Wohnbedarf im rasant wachsenden Wien nachzukommen. Die dabei entstandenen Kaisermühlner Bauten Goethehof, Schüttauhof und Co. schiacheln gehörig um die Wette. Das gilt auch für den nach dem zweiten Weltkrieg erbauten, 14-stöckigen Marschallhof, der eine neue Bau-Ära in Kaisermühlen eingeläutet hat. Seither prägen zunehmend Hochhäuser den Bezirksteil der Donaustadt. So wurde im Norden Kaisermühlens mit dem Donauturm ein Wiener Wahrzeichen sowie das bis heute höchste Bauwerk Österreichs errichtet. Seit Ende der 1970er-Jahre fungieren die besonders schiachen, retro-futuristisch anmutenden Gebäude des Vienna International Centres als einer von vier Amtssitzen der Vereinten Nationen und als Basis weiterer internationaler Organisationen. Im Zuge der Errichtung der benachbarten Donau City sind in weiterer Folge zwar auch einige ansehnliche Hochhäuser entstanden, doch das Viertel vereint längst die Bausünden mehrerer Generationen auf engem Raum.

Alte Donau & Vienna International Center. © Manfred Werner / Tsui

Die schönen Seiten liegen am Wasser
Kaisermühlen ist fast gänzlich von Donauwasser umgeben. So wird das Grätzel bei sommerlichen Temperaturen zum wichtigen Naherholungsgebiet und Treffpunkt für Massen an Badegästen. Die Alte Donau ist ein alter Nebenarm der Donau, hat mit dieser heute aber nur noch den Namen gemein und ist als Binnengewässer de facto ein See. Sie enthält die kleine Insel Gänsehäufel, die mit dem gleichnamigen Schwimmbad das bestbesuchte Wiener Bad beherbergt. Weitere beliebte Destinationen an der Alten Donau sind der Dampfschiffhaufen und das Kaiserwasser. An heißen Tagen picken besonders im Gänsehäufel tausende Personen wie Ölsardinen aufeinander. Dank des konstant hohen Menschenaufkommens, eines unerträglichen Lärmpegels, reichlich verrunzelter, nicht nur am FKK-Strand zur Schau gestellter nackter Haut sowie der wenig einlandenden bräunlichen Farbe des Wassers der Alten Donau sorgt das in Kaisermühlen liegende Freibad – trotz seiner Popularität – für einige schiache Erfahrungen.

An den Badebereichen nicht so leer: Gänsehäufel. © Manfred Werner / Tsui

Schiache Bauten, schiache Leit?
Nun zum schiachsten Element Kaisermühlens – den Bewohnern. Diesen Eindruck vermittelt zumindest vom ORF produziertes Filmmaterial aus den 1990er-Jahren. Die legendäre Folge “Schauplatz Kaisermühlen” aus der Reportagereihe “Alltagsgeschichte” bietet zwar paradiesische Impressionen von der Alten Donau, widmet sich allerdings gleichermaßen schummrigen Bars und Brandinesern, in denen es von Strizzis und “Pülchern” wimmelt. Die Anekdoten der zwielichtigen, größtenteils eing’spritzten Herren erwecken den Eindruck, dass im Grätzel kein besonders herzlicher Umgangston herrscht und bei Meinungsverschiedenheiten gerne mal mit “Puffn” und “Feitel” argumentiert wird. Auch in der von Ernst Hinterberger – dem Mundl-Erfinder – geschriebenen Comedy-Serie “Kaisermühlen Blues” geht es schiach zu. Die überzeichneten Charaktere pflegen einen ruppigen, aber wenigstens direkten Umgang.

Tatsächlich dürften vulgäre, teils gewaltbereite “Proleten” für lange Zeit den Bezirksteil der Donaustadt geprägt haben. Das Milieu hat sich offenbar drastisch geändert, denn die derzeit in Kaisermühlen lebenden Menschen erwecken einen größtenteils unauffälligen Eindruck. Die Bewohner wirken jedenfalls nicht übermäßig unfreundlich – für Wiener Verhältnisse halt. So hat das von Wasser umgebene Gebiet stark an Schrecken eingebüßt und seinen zweifelhaften Ruf weitgehend abgelegt. Der Kaisermühlner Beatproduzent Brenk Sinatra hat diese Eindrücke kürzlich in einem Interview mit dem österreichischen HipHop-Magazin The Message bestätigt: „Früher war Kaisermühlen in ganz Wien dafür bekannt, dass sich da Leut’ abstechen. Aber zum Glück ist dann nie was passiert. Ich hab’ viel Scheiße gesehen und Glück gehabt. Wie ich aufgewachsen bin, war das auch schon bissl am Abflachen. Aber Anfang bis Mitte der 1980er-Jahre war das auf jeden Fall schlimm dort.“ Tja, keine Gegend ist komplett gentrifizierungsresistent. Was bleibt, ist ein Grätzel, das durch die Melange aus schiachen Gebäuden, internationaler Bedeutung, viel Wasser und einer bewegten Geschichte einen ganz speziellen Charakter aufweist.

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